Japanische Designs in der Memphis-Kollektion von Face à Face

Erstveröffentlichung in der Frühjahr/Sommer-Ausgabe 2024

Die erste Memphis-Kollektion des französischen Brands Face à Face übersetzte Stilelemente der Memphis-Ästhetik in Brillendesign. Inspirationen aus Kultur und Kunst interpretiert durch grafische Elemente, Dekore, Farbkontraste. Einflüsse zeitgenössischen japanischen Designs auf das Memphis-Design sind der nächste Schritt der kreativen Evolution.

In den 1960, 70er und 80er Jahren war Italien das Leitbild im Design, insbesondere im Interieur- und im Autodesign gehörten die Italiener zur Avantgarde. Die italienische „Memphis-Designbewegung“ brach radikal mit dem Minimalismus des Bauhauses und revolutionierte, mit Ettore Sottsass als kreativem Vordenker, den Funktionalismus der Moderne, ließ Farbe und Verrücktheit zu und brachte einen künstlerisch-skulpturalen Ansatz in die Gestaltung. Bücherregale, Vitrinen, Sessel und Sofas – Memphis-Möbel wurden zu collagenhaften Patchworks aus farbig laminierten Kegeln, Kugeln, Pyramiden, Würfeln. Die kunstvollen Arrangements lebten von ihrer dekorativen Designästhetik, weniger vom praktischen Gebrauchswert. Künstlerisch beeinflusst von Ettore Sottsass, arbeitete der Japaner Shirō Kuramata für die italienische Design-Gruppe Memphis. Während der 1970er und 1980er Jahre begann er, innovative Materialien, wie Acryl, Glas, Aluminium und Stahlgeflechte für seine Entwürfe zu verwenden, erschuf Möbel von ungewohnter Transparenz und Leichtigkeit.

Poesie und Präzision: Modell Reeds erinnert an meisterliche japanische Metallverarbeitung.

Mit der Kooperation zwischen Kuramata und Sottsass trat das Design in eine neue Ära ein. Beide teilten die Überzeugung: „Die neue Funktion ist Verzauberung.“ Mit Kuramata entfaltete sich eine neue Poesie, wie dessen rote Rosen in einem transparenten Glasstuhl zeigen: „Mein Ideal ist es, Objekte zu sehen, die ohne Halt in der Luft schweben; mein Design entsteht und entwickelt sich aus diesen Bildern. Ich fühle mich zu transparenten Materialien hingezogen, denn Transparenz gehört zu keinem besonderen Ort, aber sie existiert und ist trotzdem überall.“ Japanische Modedesignerinnen und Modedesigner wie Rei Kawakubo und Issey Miyake oder der Architekt Kengo Kuma brachten in ihrer Arbeit dieselbe Mischung aus Feinheit und neuer Ästhetik zum Ausdruck, die das Designteam von Face à Face um Claire Ferreira und Marianne Dèzes zu neuen Ideen und der Kollektion „Japan now“ anregte. Ferreira: „In der Pariser Ausstellung, Années 80 – Mode-, Produkt-, Möbel- und Grafikdesign in Frankreich in den 1980er Jahren‘ im Musée des Arts Décoratifs entdeckten wir die Verbindung zwischen der Memphis-Bewegung und japanischem Design. In den 1980er Jahren begannen französische Galerien, neben Ettore Sottsass japanische Designer zu würdigen, und die Werke von Shirō Kuramata wurden erstmals präsentiert.“

Hommage an Miyakes „Pleats Please“-Kollektion: Das Pleats-Brillenkonzept verführt mit zwei kontrastierenden Farblinien, die wie Origami-Falten die Augen akzentuieren.

Shirō Kuramata studierte Architektur am Polytechnikum in Tokio, seiner Lehre als Möbeltischler ließ er ein Studium der Innenarchitektur folgen. 1965 gründete er sein eigenes Designstudio, den künstlerischen Durchbruch erlebte er 1970 mit der Ausstellung „Möbel in irregulären Formen“. Kuramata arbeite eng mit der japanischen Modemarke Issey Miyake zusammen, für die er Inneneinrichtungen und Parfumflakons entwarf. Über den Kontakt mit Ettore Sottsass wurde er Mitglied der Memphis-Gruppe und verlegte Ende der 1980er Jahre sein Designstudio nach Paris. Seine Objekte finden sich heute in den Sammlungen wichtiger Designmuseen wie dem Musée des Art Décoratifs in Paris, dem MoMA, dem Victoria and Albert Museum in London und dem Vitra Design Museum. Sein Stil verbindet westliche Designtheorie und japanische Ästhetik in verspielt-raffinierten Entwürfen wie dem „Miss Blanche Chair“ aus Acryl und dem Sessel „How high the Moon“ aus Gitterblech und Stahlrohr. Der Einfluss von Ettore Sottsass und dem italienischen Designkollektiv Memphis wird durch die Formen und Materialien sichtbar, die Kuramata verwendete: Transparenz von Acryl und Glas trafen auf die Leichtigkeit von Aluminium und Stahl. Für Claire Ferreira und ihr Designteam eine nahezu unerschöpfliche Inspirationsquelle: „Bei Kuramata tauchte plötzlich ein noch nie dagewesenes poetisches Element auf, wie die roten Rosen im Herzen eines transparenten Glasstuhls.

„Die neue Kollektion ist eine zeitgenössische Interpretation japanischer Design- und Kultur-Ikonen sowie japanischen Know-hows in der Handwerkskunst.“

Die Linie „Matics“ spielt mit funktionalen Elementen und Farbe.

Auch andere japanische Designer wie Issey Miyake, Rei Kawakubo und Kengo Kuma bringen in ihren Werken ihre Idee der ,gebrochenen Schönheit‘ zum Ausdruck – ein faszinierender Kontrast!“ Sowohl Miyake als auch Kuramata, erklärt Ferreira, konfrontierten in ihrer Arbeit das Handwerkliche mit dem Industriellen und nutzen technisches Wissen und die Forschung in der Anwendung neuer Technologien. Dieser Ansatz ermöglichte die Entstehung neuartiger Herstellungsprozesse und den Einsatz neuartiger Materialien. Ein Beispiel: Die Bekleidungslinie „Pleats Please“: Issey Miyakes ikonische, elegante Plisseefalten, die sich um den Körper schmiegen, wurden zum Ideal einer pflegeleichten Mode, deren erste Kollektion Miyake 1988 einführte – und zum Markenzeichen des Labels.

Glasstuhl mit Rosen im Inneren

Japanische Ästhetik: Der „Miss Blanche Chair“ von Shirō Kuramata.

Jedes der neuen Brillenkonzepte des Pariser Brands zielt auf die Symbiose des grazilen japanischen Designs mit der Ausdruckskraft des Memphis-Designs. Die neue Kollektion, deren Fassungen mit exklusiv entworfenen Acetaten spielen, trägt passend den Titel: Japan now! Claire Ferreira: „Unsere vorherige Brillenkollektion war von der Ästhetik und dem Spirit der Memphis-Bewegung geprägt. Diesen Weg wollten wir gestalterisch weiter verfolgen. Es lag nahe, die Brücke zu japanischem Produktdesign und dessen Inspirationen auf die westliche Designkultur zu schlagen. Stoffe waren dabei eines unser Inspirationsthemen für das Acetat. Unser Pariser Studio verwandelte sich in ein Material- und Farblabor, wir wollten das Material Acetat, dessen Ausdrucksmöglichkeiten im Brillendesign neu interpretieren, denn die Auswahl an Farben und Mustern ist delikat und spannend zugleich.“

Sonnenbrille Kimono

Die ausdrucksstarke Sonnenbrille der Linie „Kimono“ ist eine Hommage an das ikonische japanische Kleidungsstück.

Fotos: Face à Face