Die Brille im Jahre 2050: Laura Rattaro

Erstveröffentlicht in der Herbst/Winter-Ausgabe 2024/25

Rund. Panto. Oval. Karree. Butterfly und Pilotenform. Die Klassiker des Fassungsdesigns gibt es in vielen innovativen Variationen. Designen aber heißt, Produkte zu verbessern, sie weiterzuentwickeln oder neu zu gestalten. Auch in der Eyewear. Für die Sublime Eyewear entwarfen Designerinnen und Designer ihre Ideen der Brille der Zukunft. In einer Vision, die neue nutzerorientierte Funktionen und zukunftsweisende Ästhetik zusammenbringt – mit intelligenten, nachhaltigen Materialien und Formen, von denen wir (noch) nichts ahnen.

LAURA RATTARO

— Freischaffende Brillendesignerin

„Nach vorne zu schauen bedeutet für mich gleichsam zurück auf die Historie der Brille zu schauen. Da sehe ich vor meinen Augen kein bestimmtes Modell, sondern ein Material, das der Protagonist einer Revolution im Brillendesign war: Sein Name ist Optyl. Früher war es sowohl mit Zelluloid als auch mit Acetat möglich, gefräste Fassungen herzustellen, mit allen Einschränkungen, die diese Technik mit sich brachte und auch heute noch mit sich bringt. Optyl eröffnet eine noch nie dagewesene Freiheit des Ausdrucks an Formen und Größen. Freiheit ist also das Schlüsselwort für das Fassungsdesign gestern, heute, morgen: Freiheit in den Formen, den Volumen, den Farben.

Ich habe bewusst keine eigenen Ideen skizziert, ich traue mich nicht, obwohl ich in meiner beruflichen Laufbahn unzählige Brillen für unterschiedlichste Brands und Kollektionen gezeichnet und entworfen habe. Stattdessen habe ich zwei besondere Brillenschätze aus dem Material Optyl hervorgeholt, die einst für die Modemarke Christian Dior hergestellt wurden. Welche Designerin, welcher Designer auch immer das damals gezeichnet hat, ist durch Raum und Zeit gereist.

„Die Fassung ,Dior Grün‘ würde ich als ein ,botanisches‘ Design bezeichnen. Die Verwendung des Materials Optyl wird zu einer organischen Form, die den Eindruck erweckt, sie bestünde aus pflanzlichen Elementen – lebendig, perfekt in ihrer Einzigartigkeit.“

Beide Modelle zeigen für mich vor allem eines: Bei einem guten Design sollte immer der Mensch im Mittelpunkt stehen, für unser Produkt die Brillenträgerin, der Brillenträger. Berücksichtigen wir diese Maxime für die Brille, müssen Komfort und visuelles Wohlbefinden an oberster Stelle stehen, ohne dass der ästhetische Aspekt deshalb weniger wichtig wird. Beide Modelle zeigen für mich, dass das Design der Vergangenheit, insbesondere das der 1970er Jahre, bereits Zukunft war – so sehr Zukunft, dass ich es für 2050 und darüber hinaus als perfekt ansehe!

„Wenn das nicht Zukunft ist …!“

Natürlich sind für die Zukunft der Brille Innovationen bei Materialien und ,zusätzliche Funktionen‘ zu erwarten, dennoch denke ich, dass wir uns aus ästhetischer Sicht immer wieder auf die Vergangenheit beziehen werden. Jede Epoche hat ihre eigene Ästhetik zum Ausdruck gebracht. Die 1950er Jahre, deren Muster und Dekore von romantischen Inspirationen durchdrungen waren, waren eine Antwort auf die Zeit davor, die Wiedergeburt in der Nachkriegszeit. Die 1960er Jahre mit ihrem wirtschaftlichen Aufschwung brachten eine ästhetische Revolution, die Manierismen aufgab und sich auf die Suche nach neuen, noch nie dagewesenen Formen, Stilen und Farben machte. In den 1970er Jahren wurde mutig mit Materialien experimentiert, unter anderem mit innovativen Glasmaterialien wie einem unzerbrechlichen Kunststoff-Polymer, welches das Glas ersetzte – und eben Optyl. Jede dieser Epochen und auch die nachfolgenden hinterließen stilistische, ästhetische Spuren, die mitunter zu Ikonen und Mythen geworden sind. Heute müssen wir uns fragen, ob die Zeit, in der wir leben, in zwei, drei Jahrzehnten Produkte von bleibendem Wert und der gleichen Kraft hervorgebracht haben wird. Wir werden sehen.“

Fotos: Christian Dior

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