Eindrücke der Architekturbiennale mit Martin Lehmann

Erstveröffentlicht in der Herbst/Winter-Ausgabe 2025/26

Innovative Formen. Interessante Strukturen. Neue Codes und Freiräume für Gestaltung. Sublime Eyewear Creative Director Angela Mrositzki besuchte die Architekturbiennale in Venedig – und teilte ihre Eindrücke virtuell mit dem Brillendesigner Martin Lehmann.

Brillendesign in den Sphären von Kultur und Architektur. Dafür steht das Label Martin & Martin. Brillendesigner Martin Lehmann nimmt in der Formen- und Farbsprache seiner Fassungen bevorzugt Inspirationen aus der Architektur auf. Die präsentierte auf der Biennale 2025 in Venedig Zukunftsvisionen unter dem Leitmotiv: „Intelligens. Natural. Artificial. Collective.“ Der Titel, ein Neologismus, dessen letzte Silbe „gens“ lateinisch für „Mensch“ steht, lädt dazu ein, mit Intelligenz jenseits von KI und digitaler Technologien zu experimentieren. In über dreihundert Beiträgen lotet die Ausstellung die Gestaltungsfähigkeit von Architektur aus, die sich alle Formen von Intelligenz zunutze macht – natürliche, künstliche und kollektive. Denn, Architektur – aber auch das Produktdesign – müssen unsere veränderte Welt neu überdenken: Formen und Funktionalität, Materialien, Herstellungsprozesse, den Einsatz von Ressourcen. Auch für ein Produkt wie die Brille. So lieferte die Architektur Biennale Martin Lehmann interessante Ansätze für sein künftiges Brillendesign in Punkto Formen, Materialien, Technologie und Nachhaltigkeit.

„Traces“ heißt das Projekt im Oman-Pavillon. Es lotet aus, wie kulturelles Gedächtnis und Tradition die Gestaltung von Räumen prägen können, die Menschen zusammenbringen. Jede Aluminiumplatte der Struktur ist mit Mustern perforiert, die vom omanischen Handwerk inspiriert sind.

Martin Lehmann, bringt die Architekturbiennale Sie auf neue Ideen?

Wie in der Architektur haben sich im Brillendesign viele Strömungen gleichzeitig entwickelt, für die das Biennale-Leitmotiv gelten könnte. Bei der Brille sprechen wir von einem Zwei-Komponenten Produkt, das aus einer Fassung und zwei Gläsern besteht, die in unterschiedlichen Prozessen hergestellt werden. Erst Augenoptikerinnen und Augenoptiker fügen sie zur fertigen Brille zusammen. Bei der „Intelligenz“ sehen wir große Fortschritte in der Entwicklung des Smart Glasses – Brillen mit Displayfunktionen, in denen Navigations-, Übersetzungs-, Videoeinblendungs- und AI-Funktionen, ebenso Informationen über das Wetter, Aktienkurse, aktuelle Nachrichten oder unsere Bio-Gesundheitsdaten eingeblendet werden. Für mich als Designer ist diese Entwicklung eine Herausforderung, die Gratwanderung zwischen den Polen „Natürlich“ und „Künstlich“ zu schaffen. Ich meine damit die natürliche Anmutung einer Fassung im Gesicht, deren natürliches Ausgangsmaterial oft durch hochtechnisierte Prozesse und Fertigungstechniken verarbeitet wird.

Einflüsse aus der Architektur im Design, Herstellung Made in Germany: Martin Lehmanns Brillen entstehen am Firmen sitz in Köln und in der eigenen Brillenmanufaktur im Bayerischen Wald.

Können neue Materialien und Technologien dem Brillendesign neue Räume der Gestaltung eröffnen?

Wir probierten bereits unterschiedlichste Materialien und Fertigungstechniken aus, beispielsweise Holz-Kunststoff-Komposite oder im Acetat eingepresste Stoffe. Wir experimentierten mit Mineralkomposit und Acrylglas. In der Materialbibliothek Material Connexion in Köln habe ich mir eine Vielzahl an Werkstoffen angeschaut. Es gibt aber oft Schwierigkeiten in der Verarbeitung, so dass die Qualität der Brille nicht optimal ist. Für unser Brillendesign hat sich das Material Acetat als die perfekte Ausdrucksform bewährt. Mittlerweile wird Zelluloseacetat bereits in der Medizintechnik im 3D-Druckverfahren verwendet. Natürlich möchte ich mit meiner Brillenmarke zu den ersten gehören, die diese Technologie auch in der Eyewear umsetzen.

Fassungen gibt es in großer Formenvielfalt. Welche Designvariationen können Sie sich noch vorstellen?

Was die Architektur im Großen produziert, entwickeln wir als Brillendesigner auf einer Fläche und Tiefe von circa 17 x 5 cm. Dafür aber sitzt eine Brille prominent mitten im Gesicht, ist ein unverkennbares persönliches Statement. Wir haben immer wieder architektonische Elemente verwendet. Beispiels weise wurden in der Cut-Out-Serie Strukturen aus Mehrschicht- Acetatplatten ausgefräst, die dem Material eine Metall- Anmutung geben, ebenso asymmetrische Konturverläufe zwischen Innen- und Außenrändern. Gerade die 3D-Technologie eröffnet hier unbegrenzte Möglichkeiten. Leider werden diese aus meiner Sicht noch stark begrenzt durch recht grobe Oberflächenstrukturen, aber auch da wird es eine Entwicklung geben.

Kapelle der sanften Riesen: Eine revolutionäre Materialgeschichte. Die Ziegel sind aus Elefantendung – ein Baustoff, der Jahrtausende alte Partnerschaften zwischen Mensch und Tier in neues Licht rückt

Wie gehen Sie mit Ihrer Marke und Fassungsproduktion das Thema Nachhaltigkeit an?

Wir versuchen unsere Prozesse natürlich nachhaltig zu organisieren, recyceln Verpackungen mit dem entsprechenden Hinweis für unsere Kunden und verwenden so weit es geht biologisch abbaubares Zelluloseacetat. Den nachhaltigsten Effekt hat unsere Produktqualität, die zu einer vergleichsweise hohen Lebensdauer unserer Brillen führt. Ebenso die Kundenzufriedenheit auf Grund von Design und Tragekomfort, denn ist der Verbraucher zufrieden, wird er das Produkt so lange wie möglich nutzen. Für mich ist das ein sehr wichtiges Kriterium der Nachhaltigkeit.

Fotos Biennale: Angela Mrositzki
Fotos Brillen: Martin & Martin / Dirk Moll

NEXT