Material Metamorphosen

Erstveröffentlicht in der Frühjahr/Sommer-Ausgabe 2025

Nachhaltigkeit ist längst kein bloßes Trendwort mehr – sie ist der Inbegriff eines modernen Lifestyles. In der Mode- und Eyewear-Welt zeigt sich das besonders eindrucksvoll durch bahnbrechende Materialinnovationen: Biobasierte Kunststoffe, luxuriöse Pflanzenleder und Hightech-Textilien aus recycelten Fasern erobern die Laufstege und Concept Stores gleichermaßen. Labels setzen nicht mehr nur auf Ästhetik, sondern auch auf Verantwortung – und kreieren Pieces, die nicht nur gut aussehen, sondern auch ein Statement für eine bewusstere Zukunft setzen.

Das individuelle Gestalten von Materialien, der Dialog mit dem kreativen Prozess, erlebt in der jüngeren Vergangenheit eine Renaissance. In der Eyewear existieren bereits seit einigen Jahren innovative Ansätze in der Brillenproduktion, wie Fassungen aus Rizinusbohnen oder Meeresplastik. Nachhaltigkeit hat sich von einer theoretischen Fragestellung zu einem Lifestyle entwickelt. Produktdesigner weltweit beschäftigen sich mit der Frage, wie wir in Zukunft leben möchten. Materialien spielen dabei eine entscheidende Rolle. Ganze Ausstellungen und Forschungsprojekte sind den Stoffen der Zukunft gewidmet. Zu keiner Zeit war es dringlicher, neue Prozesse zu entwickeln, die unser komfortables Leben garantieren – ohne die Umwelt und unsere schwindenden Ressourcen weiter zu belasten. Einen Einblick in diese materiellen Zukünfte bieten aktuell zwei hochwertig kuratierte Ausstellungen. Das Futurium in Berlin lädt in seiner Dauerausstellung „Zukünfte entdecken“ dazu ein, in den Dialog mit Menschen, Natur und Technik zu gehen. Die ausgestellten Objekte zeigen, was mit dem Spiel von Technologien und sekundären Rohstoffen möglich ist. Dazu werden Workshops angeboten, zum Beispiel wie man Orangenleder herstellt oder wie aus Kaffeesatz Becher produziert werden können.

Das Museum für angewandte Kunst, das Grassi in Leipzig, zeigt die Ausstellung „Zukünfte – Material und Design von Morgen“. Ihr Fokus liegt auf visionären Arbeiten von Designerinnen und Designern und Künstlerinnen und Künstlern, die mit ihren Projekten globale Herausforderungen wie Ressourcenknappheit, Klimakrise und soziale Ungerechtigkeit thematisieren. Im Grassi präsentiert die Berliner Zukunftsagentur für Materialien Haute Innovation, die an beiden Ausstellungen wesentlich beteiligt ist, unter dem Titel „Ready made future“, eine Auswahl an Mustern und Anwendungsbeispielen aus urbanen und biologischen Reststoffen. Ebenso wird das Verfahren der Biofabrikation vorgestellt. Dieser Prozess enthält den Einsatz von biologischen Materialien und lebenden Zellen zur Herstellung von Produkten, die in der Regel aus synthetischen Materialien gefertigt werden. Dabei kommen oft biotechnologische Prozesse, wie 3D-Druck oder Zellkulturen, zum Einsatz. Ziel ist es, funktionelle Produkte zu schaffen, die biologisch abbaubar, nachhaltig und umweltfreundlicher sind als traditionelle Materialien. Als Beispiele zu sehen sind Materialien wie Lederersatz, Textilien oder Kunststoffe, die aus natürlichen Quellen wie Pilzen, Algen oder Pflanzenabfällen hergestellt werden.

Schöpferische Prozesse beginnen mit dem Überwinden bestehender Formen, Ideen oder Konventionen. Um etwas Neues zu schaffen, müssen alte Denkweisen, Strukturen oder Vorstellungen hinterfragt werden.

Die Biofabrikation spielt eine Schlüsselrolle in der Entwicklung nachhaltiger Produkte und hat Anwendungen in Bereichen wie Mode, Architektur, Medizin und Lebensmittelproduktion. Auch in der Eyewear sind solche Materialien denkbar – in Etuis oder als Überzug der Brillenbügel. Schöpferische Prozesse beginnen demnach mit dem Überwinden bestehender Formen, Ideen oder Konventionen. Um etwas Neues zu schaffen, müssen alte Denkweisen, Strukturen oder Vorstellungen hinterfragt werden. Oder, frei nach einem Meister im Bruch mit Konventionen, Picasso: „Every act of creation is first of all an act of destruction.“

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