Open Spaces Berlin

Berlin ist eine der aufregendsten Städte der Welt! Eine national und international geschichtsträch-tige wie moderne, vitale europäische Kultur- und Kreativmetropole, mit Hotspots in Architektur, Design und Mode. Zu ihrer lebendigen Kunst- und Kulturszene gehören die bunte Theater-landschaft, Museen und Galerien sowie großes Kino mit der Berlinale.

Berlin ist auch der Lebens- und Schaffensraum von Beate Leinz, Veronika Wildgruber und Philipp Haffmans. Ihr starkes, variantenreiches, unverwechselbares Brillendesign ist in die Zukunft gerichtet, mit Mut zu ästhetischen Experimenten bei Formen und Materialien.

BEATE LEINZ

Kathedrale moderner Mobilität als überdimensionale Pop-Art-Architektur in Rot und Grün: Beate Leinz im Fehrbelliner U-Bahnhof in Berlin Charlottenburg. Bahnhöfe gehören den Menschen – wie die Brille, sagt die Brillendesignerin.

Sie lebt in Falkensee im Landkreis Havelland vor den Toren Berlins. Mit S- und U-Bahn ist das Zentrum der Hauptstadt schnell zu erreichen, auch die U-Bahnstation Fehrbelliner Platz. „Bahnhöfe sind Orte des Ankommens und Fortgehens – der Veränderung”, erklärt Brillendesignerin Beate Leinz. Dieser Bahnhof wirke auf sie wie ein U-Boot oder ein Ufo aus dem All, das mitten auf dem Platz gelandet sei. „Die Architektur erinnert mich an futuristische Räume, an spacige Formen, an die Zeit der ersten Weltraumflüge, die eine Entdeckung und Erweiterung menschlicher Lebensräume bedeuteten.” Der Architekt habe Mut bewiesen, gewohnte Perspektiven auf den Kopf zu stellen. „Den Fehrbelliner Bahnhof zu erkunden, ist eine aufregende Entdeckungstour! Ich sehe überall spannende Formen, freie und ineinander verschachtelte Körper. In den sechziger und siebziger Jahren waren Architekten couragiert. Heute ist alles sehr brav.” Architektur ist eine wichtige Inspirationsquelle ihres Brillendesigns. „Ich beobachte gerne die Entstehung von Gebäuden. Menschen leben und arbeiten in diesen Häusern. Mensch und Architektur stehen in einem Austausch, weshalb mich architektonische Formen sehr ansprechen.” Gebäude ohne Menschen seien leblose Hüllen. Womit wir bei der Brille angekommen wären, lächelt Beate Leinz.

Denn: Brillen werden von Menschen getragen. „Ich überlege mir jeden Entwurf sehr genau, schaue, wie verlaufen die Linien, die Formen, wo braucht es Rundungen, wo Kanten, wo Harmonie, wo Kontraste?” Ob Architektur oder Brille: Beate Leinz ist eine aufmerksame Beobachterin. Ihre erste Begegnung mit der Brille hatte sie im zarten Alter von drei Jahren. Damals empfand sie die Sehkorrektur als eine Behinderung, einen Makel. Später stellte sie für sich fest, dass es wenige schöne Fassungen gab. „Deshalb wollte ich aus der Brille etwas Attraktives machen, denn sie verändert ein Gesicht und sagt viel über unsere Persönlichkeit aus. Das Thema beschäftigte mich.”

„Ich möchte Brillen designen, die den Menschen gut aussehen lassen, die ihm Glanz verleihen. In denen er das Besondere entdeckt, das kann auch ein intelligentes, subtiles Designelement sein.“

Ihr Gaststudium an einem US-amerikanischen College für Kunst und Design gibt die Initialzündung. Dort entwirft und baut sie ihre erste Brille. Seitdem arbeitet sie als freie Designerin für internationale Brillenhersteller. Viele ihrer Kreationen wurden realisiert und erfolgreich verkauft. „Ich identifiziere mich mit den Marken, jeder Entwurf ist mein Baby. Das braucht es, damit ein Design gut wird. Eine schöne, optimal sitzende Fassung muss ausgewogenen in jeder Linie, ihren Proportionen, der Balance zwischen Rahmen und Glas sein. Um das zu erreichen, arbeite ich lange an einem Entwurf. Es geht nicht darum, die Brille exzentrisch aussehen zu lassen.” In Mainstream-Modelle würde oft weniger emotionale Gestaltung gesteckt, sagt sie. Bei ihrer jungen Kollektion „Leinz Eyewear” macht sie es anders, legt all ihre Passion in das Design und die Entwicklung. „Protect me”, „Stay or go”, „You and me”, „One Life” – statt der üblichen Produktnamen tragen ihre Fassungen im Bügel eine Botschaft: „Ich möchte eine Verbindung zur Trägerin, zum Träger aufbauen, dass Sie oder Er sich von meinen Brillen-designs berührt fühlen.“

PHILIPP HAFFMANS

Hommage an das blanke Blech: Philipp Haffmans bei der alten „Tante Ju” auf der Dachterrasse des Deutschen Technikmuseums in Berlin.

„Blech ist unsere Religion!“, sagt Philipp Haffmans und streicht andachtsvoll mit der Hand über die Wellblechverkleidung der Ju 52. „Tante Ju“, das historische Transportflugzeug des deutschen Flugzeugbauers Junkers, ist im Deutschen Technikmuseum in Berlin ausgestellt. Ihre silbern schimmernden Tragflächen, der lange Rumpf, die glänzende Wellblechbeplankung sind wie ein kreatives Mantra, eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für den Brillendesigner. Seit über zwei Jahrzehnten gestaltet Philipp Haffmans Fassungen bevorzugt aus dem Material Edelstahl. Er war Gründungsmitglied bekannter Brillenmarken wie ic! berlin und Mykita. Gemeinsam mit Bruder Daniel und Jean-Pierre Neumeister startete er 2017 ein neues Unternehmen: Die Designphilosophie ihres Brands Haffmans & Neumeister setzt auf Minimalismus und Zeitlosigkeit. Und auf das „Made in Berlin” der Brillenfertigung. „Berlin ist eine pulsierende Stadt mit unendlichen Möglichkeiten. Unsere familiären Wurzeln liegen hier. Hier produzieren wir unsere Brillen in der eigenen Manufaktur.” Fortschrittliche Technologien und nachhaltige, zumeist selbst entwickelte Produktionsverfahren kommen zum Einsatz. „Unsere Metallrahmen sind superleicht und anpassungsfähig. Es braucht Präzision und Sorgfalt, um die Fassungen mit größtmöglicher Qualität, Ästhetik, Perfektion und Finesse zu fertigen”, erklärt Haffmans.

Er kennt die Tradition der Brillenherstellung aus dem E e , verbindet sein Wissen mit einem modernen Avantgarde-Design. Zur Pariser Branchenmesse Silmo 2017 führten Haffmans & Neumeister eine sorgfältig gestaltete Kollektion ein, fein gearbeitete Fassungen mit optimalen, funktionalen Eigenschaften, weniger technisch, dafür eleganter im Aussehen. Haffmans: „Die Herausforderung an das Design ist der Übergang von der Fläche zum dreidimensionalen Objekt der Brille. Etwas Technisches kann gleichzeitig funktional und optisch ansprechend sein. Wir sind erst zufrieden, wenn sich beide Faktoren ergänzen.”

„Unser Brillendesign ist technisch wie ästhetisch sehr detailliert ausgearbeitet und steht in einem zeitgenössischen Designkontext.“

Seine Leidenschaft für das blanke Blech dauert an. „Ich mag alles, was aus Stahl produziert wird: Autos, Fahrräder, Flugzeuge. Die Ju ist ein gutes Beispiel im Flugzeugbau für die Einfachheit technischer Lösungen, die ästhetische Konstruktion.” Mit seinem Brillendesign strebt er ebenso essenzielle Lösungen an. Ihr Design sei nicht auf Effekte aus, die Brillen gingen auf die Bedürfnisse, den Wunsch der Kunden nach Tragekomfort ein, erklärt Haffmans. „Der Großteil unserer Kollektion ist verständlich, einfach anzunehmen. Was nicht heißt, dass wir formal langweilig oder austauschbar sind.” Im Gegenteil: Von klassischen Brillenformen bis zu mutigen Variationen, von filigran und dezent bis groß, bunt und ausdrucksstark – die Formensprache der Kollektion sei in ständiger Evolution, so Haffmans. „Am Ende des Tages möchten wir schöne, tragbare Brillen designen.

Veronika Wildgruber

Ihre Entwürfe setzt Veronika Wildguber selbst in handgefertigte Muster um. Auf dem Foto oben befindet sich die Designerin vor dem Museumseingang der Berlinischen Galerie. Ein Buchstabenfeld mit Namen von Künstler*innen aus der Sammlung schafft das Entree.

Ihr Atelier liegt in einem Hinterhof im Kreuzberger Kiez. „Berlin, die Atmosphäre dieser Stadt und die Stimmung, die in der Luft liegt, sind inspirierend. Berlin hat Esprit, ist freier, nicht vergleichbar mit anderen europäischen Metropolen. Die Stadt lässt viel Raum für die persönliche Entfaltung.” Diese kreative Freiheit spiegelt sich im unkonventionellen Brillendesign von Veronika Wildgruber wider. Kreuzberg sei zudem multikulturell, bereichere ihr Leben, ihre Arbeit. „Berlin ist irgendwie verrückt”, lächelt sie. So wie ihr jüngstes Brillendesign, die Unisex-Sonnenbrille „Loki“. Zweieinhalb Jahre lang entwickelte Wildgruber diese Idee, die technisch nicht einfach umzusetzen war. „Die Besonderheit des innovativen Aviator-Designs ist die außergewöhnliche Formgebung der Brücke, welche die Illusion einer Endlosschleife erzeugt.” Manche ihrer Inspirationen kämen von Künstlern wie Roger Penrose oder dem Grafikkünstler M.C. Escher. „Unmögliche Geometrien wie man sie von Eschers grafischem Spiel mit Trugbildern und optischen Täuschungen kennt, finde ich für mein Design äußerst spannend.”

Zu ihrem Arbeitsplatz gehört neben dem Computer eine Miniwerkstatt mit Zangen, Feilen und speziellen Werkzeugen um nach ihren Entwürfen Mustermodelle von Hand zu bauen. Während des Studiums im Fachgebiet Industriedesign an der Universität im norditalienischen Bozen entdeckte sie die Welt des Produktdesigns. „Ich mag Dinge, die physisch existieren, die eine längere Lebensdauer haben.” Neben Italienisch spricht sie fließend Französisch und Englisch. Sie sei franko- und italophil und liebe Mailand und Paris, lächelt Wildgruber. Oft besucht sie Frankreichs Hauptstadt, gestaltet für das hochkarätige Mode- und Accessoirelabel Hermès Seidenprodukte wie Tücher, Schals und Krawatten. Diese Wechsel täten ihrem Design gut, sagt sie. Der Brille und der Entwicklung ihrer eigenen Marke und Kollektion näherte sie sich schrittweise. „Mein erstes Modell baute ich aus Schaumkarton. Ich experimentierte, ging frei an das Design heran.” Sie duplizierte die Brillenfront, bog sie nach hinten, weil sie der Meinung war, dass zu wenig im Bereich zwischen Brille und Gesicht passiert. 2010 gewann ihre Kreation den Designpreis der Pariser Brillenmesse Silmo. Das ermutigte Wildgruber, Kollektion und Marke unter ihrem Namen zu führen.

„Meine Brillen sollen an ihrer Designhandschrift zu erkennen sein, nicht an einem Logo.“

Jede ihrer Designentwicklungen folgt einer formalen Logik. Sie arbeitet aus der Form heraus. Die Farbe käme erst dazu, wenn der Brillenentwurf steht. „In meiner Kollektion gibt es einen roten Faden, den ich immer wieder aufgreifen kann. Designelemente wie die Linie oder der Balken. Ich spiele mit Geometrien, schneide die Linien, versetze die Flächen, nehme was weg, füge etwas hinzu. Das kann man bis ins Unendliche weiterführen. Oder ich ändere das Material, führe neue Materialien zusammen, verändere die Oberflächenstruktur. Viel dreht sich um die Balance von Elementen, die vermeintlich nicht zueinander passen.” Keine ihrer Brillen sei ein Zufallsprodukt, jede habe eine Vorgeschichte. Zweifellos gehört Veronika Wildgruber zu den couragierten Designerinnen und Designern, die das ästhetische und technische Innovationspotential der Brille ausloten. Die eine Vision haben, wie die Brille der Zukunft aussehen könnte.

Fotos: Angela Mrositzki; Leinz Eyewear; Philipp Haffmans; Veronika Wildgruber

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