The Dance Project

Erstveröffentlicht in der Frühjahr/Sommer-Ausgabe 2025

Für ein Brillendesign jenseits des Mainstreams beschreitet die Design Eyewear Group ungewöhnliche Wege. So mit dem experimentellen Projekt „Dance“ – einer Kooperation des dänischen mit dem französischen Designteam. Bei dem kreativen Designlab gehen unterschiedliche Kulturen, Designansätze, künstlerische Inspirationen und handwerkliches Know-how eine gelungene Symbiose ein. Das Ergebnis sind zwei avantgardistische Sonnenbrillenkonzepte.

Zum Produktportfolio der Design Eyewear Group gehören erfolgreiche Brillenmarken wie Prodesign, Face à Face, Kilsgaard und William Morris. So verschieden die Kollektionen sind, so anspruchsvoll ist die Aufgabe für das Brillendesign. Denn das gehört
zum Kern der Firmenphilosophie: „Design ist das Herz unseres Unternehmens. Für uns beginnt die Zukunft mit jeder neuen Kollektion, jedem neuen Konzept“, erklärt Kreativdirektorin Cathrine Colding Haugerud. Das Designteam ist an zwei Standorten tätig, in der Firmenzentrale im dänischen Arhus und im Pariser Büro. Man kennt sich, man schätzt sich, jede und jeder bringt unterschiedliche Qualifikationen ein.

Angela Mrositzki

Grenzenlose Kreativität: Ein Workshop der Designteams
aus Arhus und Paris lieferte die Idee zum Designprojekt „Dance“ unter Leitung von Kreativdirektorin Cathrine Colding Haugerud

Das kreative Crossover sei befruchtend für ihre Arbeit, betont Colding Haugerud: „Design generell – auch das Brillendesign – muss über den Tellerrand schauen und in die Zukunft denken, Visionen wagen.“ Für die Designchefin war dies Anregung und Motivation, sich über die regelmäßigen digitalen Videositzungen hinaus im „richtigen Leben“ zu einem Brainstorming zusammenzufinden. „So entstand die Idee zu einem Workshop. Wir wollten Zeit miteinander verbringen, uns austauschen, um inspirierende Energien freizusetzen.“ Der physische Ort dieser „gedanklichen Freiheit“ war schnell gefunden: Zum kreativen Flow traf man sich in Colding Haugeruds Wohnung im Stadtzentrum in Arhus.

„Das Dance-Projekt überschreitet die Grenzen traditionellen Brillendesigns durch die Freiheit der Kreativität und mutige Designexperimente.“

„Bei diesem Workshop ging es nicht darum, ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Der Prozess sollte nicht zwingend in einem Produkt enden. Andererseits, um die Unterschiede in unseren Designansätzen und in den Prozessabläufen kanalisieren zu können, brauchten wir eine gezielte Definition der Aufgabe.“ Ein derartiger Gedankenaustausch habe etwas von einer kollektiven Meditation, versichert Colding Haugerud. „Dazu gehört auch die lockere Wohlfühl- Atmosphäre. Auf unserem Programm standen deshalb neben vielen Übungen für den Kopf verwöhnende Pausen mit Kaviar und Champagner – damit alle Sinne angesprochen werden. Wir wollten, dass unsere schöpferischen Energien optimal fließen können!“

Design Eyewear Group

Kunstfertig: Bei der Brille „I’m perfect“ läuft ein goldener Tropfen entlang der Bruchstelle bis zum Bügelende.

Bekanntlich ist der Weg das Ziel. So gab es zur Vorbereitung eine inhaltliche Agenda. Colding Haugerud: „Jede und jeder im Team sollte sich einbringen, ein Lieblingskunstwerk, ein Gemälde, eine Skulptur, eine künstlerische Inspiration vorstellen. Am Ende wurde eine Vielzahl von Ideen diskutiert.“ Der Wohnzimmertisch füllte sich mit handschriftlichen Notizen, flüchtigen Skizzen von Brillenrahmen, Bügelelementen, Gläsern.

Design Eyewear Group

Modell „Censur“ setzt auf eine futuristisch industrielle Ästhetik und mutige Geometrien.

Mit Stift und Papier entwickelten wir Grundideen. Aus diesen bildlichen ,Gedankenschnipseln‘, die mit etwas Phantasie an Brillen erinnern, wurden Ideenrichtungen und einzelne Themen gefiltert und gemeinsam ausgearbeitet. Der nächste Schritt führte zu weiteren Skizzen von Gestaltungsvarianten. Am Ende wurden zwei Ideen ausgewählt, die wir für die Weiterentwicklung interessant fanden.“ Dies sei die Geburtsstunde der Brillenkonzepte „Censur“ und „I’m Perfect“ gewesen, erklärt Colding Haugerud. „,I’m Perfect‘ ist von der jahrhundertealten japanischen Philosophie Wabi Sabi inspiriert, die mit dem Zen-Buddhismus verbunden ist und Schönheit in Unregelmäßigkeit und Unvollkommenheit
sieht. Das Wabi-Sabi-Thema stand im Zentrum unseres Workshops. Ich denke, es ist aktueller denn je – angesichts eines Umfelds, das stark durch die heutigen Konsumgewohnheiten belastet ist.“ Denn: Wabi-Sabi ist der Gegenentwurf zum westlichen Streben nach Perfektion und Materialismus und huldigt der Ästhetik unperfekter Objekte und der natürlichen Schönheit.

Design Eyewear Group

Colding Haugerud: „Ausgangspunkt unserer Inspiration war insbesondere die Wabi-Sabi- Keramik. Wir greifen ihre Ästhetik auf, die unvollkommen, vergänglich, unvollständig ist, hier interpretiert in dem Modell ,I’m Perfect‘. Dessen Schönheit liegt in der Imperfektion – beispielsweise in einer Bruchstelle, einer Art Riss in der Brillenform, an dem ein Tropfen Gold bis zum Ende des Brillenbügels entlangläuft. Das Brillendesign betont diesen ,Bruch‘, gestaltet ihn, macht die Asymmetrie zum besonderen Gestaltungselement.“ Die Brillenkreation „Censur“ hingegen erinnert an eine futuristisch-industrielle Ästhetik. Die Inspiration sei „einer in ihrer geometrischen Form übertrieben definierten Vase“ entsprungen. „Die scharf definierte obere Rahmenlinie der Brille schneidet optisch durch die Augenformen. Das dünne Profil des Rahmens definiert die Vorderansicht – in der Seitenansicht wird es voluminöser und verstärkt den geometrischen Effekt“, erklärt Colding Haugerud.

Angela Mrositzki

Mini-Workshop zum Dance-Projekt am Silmo -Messestand 2024: Das Designteam um Cathrine Colding Haugerud (v.l.n.r.): Claire Ferreira, Lau Liengård Ruge, Cornelia Therkelsen, Nicoline Brock Jensen, Marianne Dèzes, Cathrine Colding Haugerud, George Clarke, Arnaud Pommier.

Auf den Workshop folgte die Finalisierung der Konzepte in Arhus und Paris. Zu guter Letzt bekam „das Kind“ seinen Namen: Dance! Der Titel spiegelt die Kreativkooperation beider Teams wider und entstand durch die Kopplung der dänischen Schreibweise von Dänemark, „Danmark“ und „France“ für Frankreich“. Auf der Optikmesse Silmo in Paris stellten die kreativen Co-Worker ihr Projekt vor. Mit beachtlichem Erfolg: Die Sonnenbrille „Censur“ erhielt in der Kategorie „Eyewear Design“ den angesehenen Preis „Silmo d’Or 2024“. Eine Fortsetzung des Projektes kann sich Colding Haugerud gut vorstellen: „Unsere Designteams arbeiten immer kreativ zusammen. Da darf man auf das Ergebnis weiterer Workshops der Zukunft gespannt sein, auf ein Dance-Projekt 2.0!“

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