Timeless Classics: Brillen als Kultikonen

Gestaltung und Formensprache der Moderne: Das Design dreidimensionaler Objekte und Gebrauchsgegenstände spielt im Alltag der Menschen eine wichtige Rolle – die funktionale und formschöne Gestaltung von Produkten trägt nicht zuletzt zur Lebensqualität bei. Manch ein Designklassiker avancierte dabei zum Kultobjekt. Auch Brillen! Ikonisches Fassungsdesign, zeitgemäß interpretiert. In Sublime Eyewear stellen Brillendesignerinnen und -designer ihre Favoriten der Design-Classics vor.

KRAFTHERZ

Modell „Manneskraft“! Klassische, eckige, schmale Herrenfassung mit breiten Rändern und Bügeln, aus modischem, halbtransparentem, gemustertem Acetatmaterial

„Design bedeutet Gestaltung, gemeint sind die Kon-zeption und Formgebung aller künstlich hergestellten Produkte. Wobei der Begriff Design einerseits von der Kunst und andererseits vom Handwerk oder Kunsthandwerk abzuheben ist. In unseren Kollektio-nen, Herzblut für Frauen und Kraftherz für Männer, versuchen wir jedoch Einflüsse aus der Kunst im Sinne von Kreativität in der Gestaltung der Brillen umzuset-zen. Gutes Design entsteht ja aus der Symbiose von Kreativität und Handwerk. ,Die Form folgt der Funktion‘ ist dabei ein bekanntes Design-Credo, das seit der Zeit des Bauhaus unter Walter Gropius um 1920 für die Prinzipien einer funktionalen Gestaltung stand. Dieses Designprinzip gilt bis heute. Der Designleitsatz, der aus dem Produktdesign und der Architektur abgeleitet wurde, heißt aber nicht, dass funktionelle Gestaltung die Ästhetik ausschließt. Deshalb variiert und er-weitert unser Fassungsdesign den Leitsatz zu: Form follows emotion and function. Wir nehmen die Emotion mit auf, denn Brillen sind auch Ausdruck eines stilistischen Selbstverständnisses und eines Tragegefühls, weshalb unsere Brillen in Punkto Ergonomie, Passform und Proportion im Verhältnis zum Gesicht stimmig sein müssen. Zu den herausragenden Designklassikern zählt für mich übrigens der Porsche 911. Merkmal aller Produkte aus dem Hause Porsche ist bis heute ein unverkennbares Design mit sofortiger Wiederer-kennung. Ein Porsche 911 braucht kein Logo!“ – Claudia Hollergschwandtner, Designerin und Produktentwicklerin

LEINZ EYEWEAR

Kreative Idee als Hommage an die bunten Formen der Tupperware: Der Sonnenclip lässt sich wie ein Tupperdeckel auf die Korrektionsfassung setzen und ebenso leicht wieder abnehmen.

„Meine Vorliebe für das Brillendesign, für Formen und Farben, ist geprägt durch alltägliche Produkte, das ,Alltagsdesign‘. Mich fasziniert vor allem der soziale Ansatz: Ich möchte ,gutes Design‘ möglichst vielen Menschen zugänglich machen, wie in der modernen Architektur und der Idee des Bauhauses, durch die Licht und Luft als Gestaltungselemente den Wohnungsbau auf den Menschen hin ausrichteten. Meine Eltern leiteten mich an, aus vorhandenen Materialien Dinge selbst zu gestalten. In den 1960er und 1970er Jahren sorgten innovative Kunststoffe für neue Gestaltungs-möglichkeiten. Modernes, buntes Mobiliar ersetzte die herkömmlichen Stühle und Tische aus Holz. Der pure Funktionalismus wurde überwunden. Ein frühes Beispiel für das damalige neue Designdenken ist der aus Fiberglas hergestellte Schalenstuhl von Ray und Charles Eames. In den USA entwickelte Earl Silas Tupper, der Gründer der Firma Tupperware, erste Lebensmittelbehälter. Meine Mutter arbeitete damals als Beraterin für Tupperware und ich war einfach begeistert von den Schüsseln in allen Größen und Farben! Das Designverständnis dieser Zeit hat mich nachhaltig geprägt. Dank meines Designstudiums erweiterte sich mein handwerkliches Wissen um Kenntnisse der Gestaltungslehren. In meiner Arbeit als Brillendesignerin überwiegt heute eine pragmatische Denkweise getreu dem Designcredo, dass sich die Form aus der Funktion und dem Nutzen eines Produktes ableitet. Diesen Pragmatismus breche ich durch freie gestalteri-sche Elemente auf, die eine persönliche Note in meine Brillenentwürfe einfließen lassen.“ – Beate Leinz, Brillendesignerin

Rodenstock

Schlicht. Elegant. Die Ti-Lite- Fassung kombiniert ein inno-vatives Konstruktionsprinzip, hochwertige Materialien und erstklassige Verarbeitung zu einem einzigartigen, innovativen Modellkonzept.

„Für mich muss das Produkt sowohl in seiner Form wie auch in der ästhetischhaptischen Ausführung stimmig sein. Das gilt insbesondere für die Brille, die über den ästhetischen Aspekt hinaus einen täglichen Bedarf zu erfüllen hat. In den letzten Jahren hat aber ein deutlicher Wandel stattgefunden: Wurde die Brille früher mit bestimmten Stereotypen in Verbindung gebracht, ist sie heute ein Produkt der Mode, das mit Gestaltung, Farbe und Material Begehrlichkeit weckt. Aus meiner Zeit als Schmuckdesignerin ist mir der Spannring von Niessing in Erinnerung geblieben, dessen schlichtes, pures Design, bei dem der kostbare Stein ohne jede Fassung in den Ring eingespannt wird und über der Hand zu schweben scheint. Erst bei genauerer Betrachtung wird deutlich, wie sehr hier technisches Know-how erforderlich ist, damit der Stein nicht herausfällt. In der Rodenstock-Brillenkollektion greift die Ti-Lite-Fassung diesen Perfektionismus auf. Das Design steht für extre-men Minimalismus und Leichtigkeit und ist auf we-sentliche Elemente reduziert. Die Brille wirkt nahe-zu schwerelos. In meinem Design-Credo bedingen sich Funktionalität und Ästhetik. Erst die Ästhetik emotionalisiert einen Gegenstand, der dadurch als schön und ansprechend empfunden wird. Funktionieren muss ein Produkt natürlich auch, gerade bei Brillen ist die Funktionalität besonders wichtig, damit der Tragekomfort gewährleistet ist. Für ein gutes Design finde ich deshalb die Aussage treffend: Form trotz Funktion.“ – Bettina Bubel, Brillendesignerin

CHARMANT

Zeitlos. Minimalistisch. Modell „Akira“ aus der Kollektion Minamoto ist dank der ikonischen runden Form ein Brillenklassiker-Aspirant.

„Ziel des Designs war es ursprünglich, ,schöne Produkte‘ für Menschen erschwinglich zu machen. Zu meinen bevorzugten Designklassikern gehört der Aluminium-Stuhl von Charles und Ray Eames, der von der Rückenlehne im Industrielook bis zu den Stuhlbeinen aus einem einzigen Aluminium-Gussteil durchdacht ist. Das verchromte Metall in Kombination mit Leder oder Netzstoff macht den Stuhl edel, zeitlos und sehr modern. Der Designansatz von Charles und Ray Eames basierte auf der Liebe zum Detail und der Nutzung der verfügbaren Fertigungsverfahren – auch ich versuche dies in meiner täglichen Arbeit umzusetzen. Ein weiteres Beispiel ist für mich das von Michele De Lucchi entworfene Artemide Tolomeo-Lampensystem, ebenfalls aus Aluminium hergestellt. Mir gefällt, dass das Design um die Federfunktion der beiden Gelenkarme herum aufgebaut ist. Technische Funktion und Ästhetik gehen hier Hand in Hand. Diese Designs haben mich gelehrt, wie wichtig Details sind und dass ein minimalistischer Designansatz in Kombination mit einer guten Proportionsstudie einer Form Zeitlosigkeit verleiht. Bei unseren Brillendesigns versuche ich, diese Erkenntnis umzusetzen, denke nicht nur an die Funktion. Eine Brille ist auch ein modisches Accessoire. Die Form der Gläser sollte das Gesicht eines Menschen stilvoll hervorheben. Was das Fassungsdesign für mich besonders macht, ist die Beziehung zwischen Objekt und Brillenträgerinnen und Brillenträgern. Jede unserer Brillen sollte die Persönlichkeit widerspiegeln.“ – Nicolas Berne, Design Studio Manager, Charmant Paris

Fotos: Kraftherz/Herzblut; Leinz Eyewear; Rodenstock; Charmant

Artikebild: Marcel Breuer / Mart Stam, Freischwinger B 33, 1927 / 1928. Gebrüder Thonet, Frankenberg, Ausführung 1931. Foto: Die Neue Sammlung – The Design Museum (A. Laurenzo)

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