Lehm. Stroh. Ökofarben.

Nachhaltigkeit gehört für Brillenhersteller Koberg & Tente zur unternehmerischen Verantwortung. Für den Bau der eigenen lokalen Brillenfertigung in Münster wurden umweltfreundliche Materialien verwendet. In bester Handwerkstradition und mit Maschinen, die echte Oldtimer sind, entstehen hier fortan die Fassungen der neuen Kollektion „Heinz”.

Nicht erst seit die Auswirkungen der Umwelt- und Klimakrise Gesellschaft, Politik und Wirtschaft eindringlich zum Handeln drängen, beschäftigen Frank Tente die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Es fing zuhause am Küchentisch in Gesprächen mit seinen Töchtern an, erzählt er. Lebhaft wurde über Fridays for Future und Umweltschutz diskutiert. Darüber, was man selbst konkret tun könne. Privat, und auch im Unternehmen. Das hat der junge Firmenchef Schritt für Schritt ökologisch und nachhaltig aufgestellt: „Der Einzelne wird die Welt nicht retten, aber man muss bei sich selber anfangen.” Aus unternehmerischer Sicht sei wichtig, die gesamten Prozesse zu überdenken und Nachhaltigkeit als ganzheitliche Strategie anzugehen, ist er überzeugt. In der Nachhaltigkeitsbroschüre des Unternehmens mahnt eine bekannte indianische Weisheit: „Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt sondern von unseren Kindern geliehen.” Das Zitat verdeutliche seine Grundeinstellung zur Umwelt, erklärt Tente.

Werkstatttisch mit Brillen

Handgefertigte Brillen lassen Spuren des nicht Perfekten zu. Genau das mache die Besonderheit der Fassungen aus, sagen die Münsteraner Brillenmacher.

Eines seiner nachhaltigen Ziele sieht er in diesem Jahr verwirklicht: Zukünftig werden Brillen am Firmensitz in Münster lokal produziert. Bei der wohlüberlegten Entscheidung für die Brillenherstellung vor Ort sei der Aspekt der Nachhaltigkeit aber nicht der einzige gewesen. „Ausschlaggebend war mein Interesse für das ursprüngliche Brillenhandwerk – für eine Brillenproduktion, die das Gütesiegel ,Made in Germany‘ rechtfertigt.” Etwas selber zu schaffen, zu zeigen, die das Brillenhandwerk funktioniere, habe ihn zu diesem Projekt bewogen. „Die Brille ist nicht irgendein Massenprodukt, das Augenoptikerinnen und Augenoptiker einfach aus der Schublade ziehen, sondern als Sehhilfe ein Medizinprodukt, das von Menschenhand gefertigt wird. Genau das macht ihre Wertigkeit aus. Deshalb möchten wir der Brille ein ,Gefühl‘ mitgeben, damit Brillenträgerinnen und Brillenträger sich bewusst für ein Modell entscheiden. Verbinden sie eine Geschichte mit ihrer Brille, wird sie nachhaltig länger getragen und nicht als Wegwerfprodukt verstanden.”

Frank Tente schaut durch Brille

Frank Tente stellt ebenso das große Ganze wie kleine Details seines Unternehmens auf den Prüfstand. Mit der lokalen Brillenproduktion der Kollektion „Heinz” soll fortan der handwerkliche Aspekt in den Fokus rücken.

Wir besichtigen die neue Produktionshalle, in der gerade die Decke verputzt wird. Der Handwerker erklärt die Zusammensetzung der umweltfreundlichen Materialien, die für ein gesundes Raumklima sorgen: Holzrahmenkonstruktion, Holzfasern für die Dämmung sowie Lehm für den Innenputz und ökologische Farben werden verarbeitet. Noch sind die Maschinen für die Fertigung in einem Nebenraum „geparkt”. „Das sind keine modernen computergesteuerten Hightech-Maschinen, sondern Geräte aus der Nachkriegszeit. Echte Oldtimer! Mit ihnen können wir zeigen, wie eine Brille aus Acetat gefertigt wird”, begeistert sich der Chef. Das Acetat wird in Platten geliefert und in der Manufaktur von A bis Z zu fertigen Brillen verarbeitet. Frank Tente erklärt die wesentlichen Arbeitsschritte, wie das Aussägen der Grundform, das Fräsen der Innenform und Nut für den Einsatz der Brillengläser, der Kontur, der Dicken und Höhen der Rahmen, das Ausfräsen der Bügel. Er könne es kaum erwarten, Klassen augenoptischer Schulen, sowie interessierte Augenoptiker und Endkunden zu empfangen. „Ab dem Herbst werden mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier unsere neue Acetatkollektion ,Heinz‘ fertigen und auch alle Qualitätskontrollen durchführen. Mein Brillenbau-Team zum Start besteht aus einer neu eingestellten jungen Schreinerin, einem Augenoptikermeister im Ruhestand und einer langjährigen Mitarbeiterin und Augenoptikerin, die von Anfang an für die Idee gebrannt hat – wie ich selber. Menschen, die sich für die Brille begeistern können, die mit Liebe und Leidenschaft bei der Sache sind und Freude am Handwerk haben. Denn das ist meine Idee!” 

Aus Liebe zur Brille: Bei Koberg & Tente hat der Chef großen Spaß daran, selber Fassungen zu bauen. Zum 75-jährigen Firmenjubiläum im Herbst 2022 wird die eigene Brillenmanufaktur in Münster eingeweiht.

Die neue Kollektion „Heinz” sei eine Hommage an die drei „Hs”: einen der zwei Gründer, Heinz Koberg, Großonkel von Frank Tente, und dessen Vater Heinz (Heiner) Tente. „Das dritte ,H‘ gehört zu einem Urgestein, Heinz Michel, einem der wenigen noch im Beruf des Brillenmachers ausgebildeten Spezialisten, der uns die alten Maschinen verkauft hat.” Der Markenname Heinz stünde für Hand, Herz und Heimat und habe einen direkten Bezug zum Standort und zur Geschichte des Unternehmens. Auch für die anderen Kollektionen vertraut Koberg & Tente auf eine Produktion Made in Germany und die Zusammenarbeit mit langjährigen Lieferanten. „Dafür sprechen die kurzen Wege inländischer Fertigung und die sehr gute Qualität.” Da ein Teil der Kollektionen auch in Fernost gefertigt wird, kommen Lieferungen von dort, wenn realisierbar, mit der Transsibirischen Eisenbahn. Es gebe viele Möglichkeiten, Nachhaltigkeit im Unternehmen umzusetzen, betont Frank Tente.

Muster Fassung

Kompromissloses Verständnis von der Qualität der Materialien und der Fertigung zeichnet die Kollektionen von Koberg & Tente aus.

Zu den vielen kleinen Schritten mit großer Wirkung gehört beispielsweise die Vermeidung von Abfall. Verpackung bewahrt, Ressourcen gespart. „Durch die Wiederverwendung von Kartonagen werden Ressourcen geschont, das Klima geschützt und Energie eingespart. Deshalb haben wir die Lagerung und den Versand unserer Brillen von Plastiktüten auf Leinenbeutel umgestellt. Die dürfen die Augenoptiker behalten oder können sie an uns zurückgeben. Hauptsache, sie verschwinden nicht in der Mülltonne!” Auch die sogenannten „Demogläser” der Brillen, die für gewöhnlich aus Plastik sind, landeten letztlich im Müll, sobald der Augenoptiker die Brille mit der richtigen Sehstärke für seinen Kunden verglast habe, erklärt Frank Tente. Er plädiert für umweltverträgliche Alternativen. Sein Fokus liegt auf einem generell reduzierten Plastik- und Papierverbrauch: Ob Papierklebebänder mit Maisstärke, ob recyceltes Toilettenpapier oder individuell bestickte Frottee-Handtücher für das gesamte Team samt ökologischer Seifenstücke, welche die Flüssigseife in Plastikbehältern abschafft, um Verpackungen und Mikroplastik zu vermeiden. Ob der klimaneutrale Druck aller Werbemittel oder die Nutzung von LED Leuchten, die sich ausschalten, sobald der Raum verlassen wird, bis hin zu Solarkollektoren auf dem Firmendach, die eigenen Strom erzeugen werden – der Chef freut sich darüber, dass die nachhaltigen Maßnahmen von der Belegschaft mitgetragen werden. Mehr noch, dass eigene kreative Ideen eingebracht werden. Beispielhaft erwähnt er den Vorschlag einer Mitarbeiterin, zu einer, wie er sagt, eigentlich simplen Maßnahme: Statt Haushaltsschwämmen, die in der Firmenküche benutzt und am Ende weggeschmissen werden, schlug sie vor, Baumwolllappen zu verwenden, die gesammelt und gewaschen werden.

Frank Tente brennt Logo ein

Der Chef persönlich legt Hand an: Hier beim Einbrennen eines Marken-Logos in die Insektenhotels.

Frank Tente lobt sein Team, das eigenständig aktiv wird, unter anderem bei der Aktion „Bienenglück”, bei der gemeinsam Samen-Bomben aus Tonpulver, Erde und Saatgut gebastelt werden. Auch Outdoorprojekte wie das Urban Gardening gehören zum Nachhaltigkeitskonzept. In den Hochbeet-Einheiten im Innenhof können alle Mitarbeiter „gärtnern” und Gemüse, Kräuter, Schnittblumen, Obstbäume und -sträucher anpflanzen. Mit der wilden Blumenwiese vor dem Firmensitz und mit Insektenhotels, die als Futterkammern und Behausungsmöglichkeiten für Bienen und Insekten dienen, unterstützt man die Arterhaltung. Und weil Münster bekanntermaßen Deutschlands Stadt mit den meisten Radlerinnen und Radlern ist, gibt es für alle, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, eine Radstation mit begrüntem Dach. Viele umweltfreundliche und nachhaltige Projekte wurden schon verwirklicht. Doch Frank Tente ist sich sicher: Neue Inspirationen und Ideen werden nicht lange auf sich warten lassen. „Da ist noch Luft nach oben. Wir überdenken jede Veränderung, die wir im Unternehmen einführen. Nachhaltigkeit muss für mich vor Ort beginnen, sie muss glaubhaft, nachvollziehbar und transparent sein.”

Fotos: André Stephan für Koberg & Tente