Kreative Energien & Grüne Ideen

Tierknochen ersetzen Plastik! Innovatives Design nutzt die Qualität eines der ältesten Werkstoffe der Kulturgeschichte für Stecker und Lichtschalter. Dies ist nur eines von vielen Beispielen für Produkte, deren umweltverträgliche Herstellung die Naturressourcen der Erde schont. Neue Materialien werden die Produktkultur nachhaltig verändern, sagt Dr. Sascha Peters vom „Haute Innovation Institute” in Berlin. Der Agenturgründer und renommierte Materialexperte beschäftigt sich mit der Entwicklung nachhaltiger und innovativer Werkstoffe.

Dr. Sascha Peters, Ihre Agentur zeigte auf der Messe Orgatec im Oktober die Sonderausstellung „Materials4Future”. Was gab es dort zu sehen?

Unter anderem digitale Oberflächen aus transparentem Holz, Textilien mit integrierten Solarmodulen, Bezugsstoffe aus Hanfresten oder mit Silberhäutchen gerösteten Kaffeebohnen, oder auch Akustikmodule aus brandfestem Pilzmaterial als neue Ressource. Unsere Sonderfläche auf der Orgatec zeigt viele Ansätze für nachhaltige Lösungen, die im Design und in der Architektur bereits seit Jahren in der Entwicklung sind.

Tomtex aus Muschel- oder Pilzabfällen

Abfall ist der neue Luxus: Tomtex wird aus Muschel- oder Pilzabfällen hergestellt und ist ein plastikfreies, zu einhundert Prozent biobasiertes Material – eine Alternative zu synthetischen und tierischen Ledern.

Sind auch interessante Materialinnovationen für die Herstellung von Brillen zu erwarten?

Absolut! Wir werden uns in den nächsten Jahren in die Richtung einer Circular Economy entwickeln, in der die genutzten Ressourcen, so lange es geht, in geschlossenen Materialkreisläufen zirkulieren. Einige Wirtschaftsbereiche wie die Verpackungs-, die Bekleidungs- und die Bauindustrie befinden sich bereits in einem Transformationsprozess weg von einem linearen Verständnis. Der Verbraucher fragt zunehmend danach, aus welchen Werkstoffen ein Produkt hergestellt ist, wie dieses gewonnen wird und was am Ende des Lebenszyklus mit den genutzten Materialien passiert. Auch die Hersteller von Brillen werden diesen Weg gehen müssen. Doch in der Brillenproduktion werden ja bereits einige recyclingfähige Werkstoffe genutzt. Dabei sehen wir vor allem die Notwendigkeit, plastikfreie Lösungen für Fassungen, Etuis und die Packsysteme für den eCommerce zu finden. Da gibt es mittlerweile spannende Innovationen junger Start-Ups.

Uhrgehäuse aus Kaffeesatz

Die Zeit ist reif! Materialien und Abfälle des Alltags führen zu erstaunlichen Produkterfindungen wie diesem Uhrgehäuse aus Kaffeesatz.
 

Wie sieht ein Umdenken der Industrie aus?

Es genügt nicht, die bisherigen Materialien nur durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen. Der gesamte Lebenszyklus eines Produkts muss betrachtet werden, bis zu dessen Entsorgung. Erst wenn der einzelne Hersteller bereit ist, Verantwortung zu übernehmen für die Abfälle, die er produziert, wird sich grundlegend etwas ändern. Oder der Gesetzgeber nimmt die Industrie in die Pflicht und macht Vorgaben.

Muss die Veränderung schon beim Design beginnen?

Der Wandel betrifft auch den Designprozess, der auf die Wiederverwendung von Materialien ausgerichtet sein muss. Die Trennbarkeit der genutzten Ressourcen ist dabei eine ebenso wichtige Voraussetzung für die Kreislaufwirtschaft wie die Nutzung emissionsreduzierter Ressourcen und nachwachsender Rohstoffe. „Reuse, Repair, Remanufacturing” sind Konzepte, die an Bedeutung gewinnen werden, auch für die Brillenindustrie.

Sascha Peters vom „Haute Innovation Institute“

Sascha Peters vom „Haute Innovation Institute“ beschäftigt sich mit der Entwicklung nachhaltiger und innovativer Werkstoffe.

Welche kreativen Lösungen nachhaltig hergestellter Produkte überzeugen Sie am meisten?

Insbesondere im Interior-, Textil- und Accessoire- Bereich sehen wir eine Vielfalt an Innovationen, in denen ungewöhnliche Reststoffe aus der Landwirtschaft, der Fischerei oder der Lebensmittelindustrie genutzt werden. Designer selber werden hier zu Entwicklern und Produzenten einer neuen Kategorie von Materialien an der Schnittstelle zwischen Biologie und Technologie. Ein Beispiel: Knochen als Reststoffe für die industrielle Verwertung zu nutzen, steht Pate für Abfälle, deren Wert in der Circular Economy neu definiert wird. Ob Kaffeesatz, Fischschuppen oder Nussschalen: Einige Designer weltweit haben die Notwendigkeit für einen Transformationsprozess verstanden, der längst überfällig ist.