Auf in die Ferne! Die Brillenmacher von Conquistador

Erstveröffentlicht in der Herbst/Winter-Ausgabe 2023/24

„Zu reisen ist zu leben“, sagte einst der dänische Dichter, Schrifststeller und Märchenerzähler Hans Christian Andersen. Dieses Entdecken und Erkunden ferner Länder, Menschen und Kulturen gehört zu den großen Passionen von Hans-Joachim Marwitz. Die Reisen des Brillenmachers aus Berlin bereichern das Design und die Farbwelten seiner Marke Conquistador.

Conquistador – das klingt nach Abenteuer, nach großer, weiter Welt. Ein Zufall ist der Markenname nicht. Hans-Joachim Marwitz, der nach einer Ausbildung zum Werkzeugmacher in der Brillenfabrik seines Vaters – und noch während er auf einen Studienplatz wartete – als Mechaniker auf einem Frachtschiff der Hamburg-Amerika-Linie anheuerte, ist ein Weltenbummler. „Die Fahrt damals führte mich von Hamburg über Rio durch die Magellanstraße die südamerikanische Westküste hoch.“ Die Begegnung mit der südamerikanischen Kultur, mit Land und Leuten, war Neuland für ihn. „So lag später für meine erste eigene Brillenkollektion der Name Conquistador irgendwie nahe.“ Unbekanntes Terrain hat er immer wieder erkundet, in seinem Beruf, auf seinen Reisen. „Man muss neugierig bleiben, das hält jung!“, sagt Marwitz. Sein Vorbild ist Alexander von Humboldt, der als Forschungsreisender, Natur- und Weltenkundler über einen unermesslichen Schatz an Erfahrungen und Kenntnissen verfügte. „Kurios ,Humboldt lebte nur wenige Schritte von meiner Berliner Wohnung entfernt fünfzehn Jahre lang in der Oranienburger Straße. Dem Weltumsegler, Literaten und Naturkundler Adelbert von Chamisso wurde ebenfalls in der Nähe am Monbijouplatz ein Denkmal errichtet. Kann das Zufall sein?“, lächelt Marwitz.

Schlichte Eleganz, leuchtende Farben: die Conquistador-Kollektion spielt sowohl mit vollen Farben als auch mit Transparenzen oder einem mutigen Farbenmix – je nach dem Design der Fassung.

Reiseerinnerungen prägen sein Leben. „Vor Augen habe ich noch heute eine Tour Mitte der 1960er Jahre mit dem selbst ausgebautem VW-Bus durch Syrien, Jordanien, Palästina und Israel, Irak, Iran, Afghanistan, Pakistan, Indien, die Kaschmirregion.“ Auch seine Arbeit in der Brillenbranche führte ihn rund um den Globus, auf internationale Messen in den USA, Brasilien in Asien. Literarische Lektüre ist ihm eine wichtige Quelle, sie lässt seine Fantasie in die Ferne schweifen: „Die Reisegeschichten von Karl May, Magellan, Cortez; Erzählungen über das Reich der Azteken und der Mayas in Mexiko, der Inkas in Peru, die Suche nach Gold, Gewürzen und Rohstoffen, die für ganze Völker in Verderben, Sklaverei, und Unterdrückung endete, liefern fantastische Abenteuergeschichten.“ Sein Tagebuch erinnert Marwitz an viele spannende Erlebnisse: „In Kolumbien verpasste ich einmal meinen Frachter, der wegen eines Aufstandes früher auslaufen musste. Auf abenteuerlichen Wegen erreichte ich Cartagena an der Atlantikküste, wo ich das Schiff an der Pier erwartete.“

Exotische Natur, farbenprächtige Kulturen: Künstlerin Katja Wiedemann illustriert sie für die Marke Conquistador und portraitiert mittendrin Hans-Joachim Marwitz.

Doch wie werden all diese Erinnerungen zu einem lebendigen Brillendesign? „Die Anregungen sind schier unerschöpflich: von den farbenprächtigen Basaren des Orients über die farbenfrohen Kostüme der Tänzerinnen in der Karibik und die Farbexplosionen, die ich in Südamerika erlebte. Einer unserer frühen Slogans lautete „Mut zum Außergewöhnlichen“. Unsere Acetat- und Metallbrillen wurden immer farbenfreudiger, fantasievoller, teils mit indianischen, asiatischen Motiven geschmückt. Im Ausland sprach man von ,the German colours‘.“ Reisen wie zu Zeiten der Gebrüder Montgolfier: Auch die Werbung für seine Kollektion Conquistador hatte oft mit der Reiseleidenschaft von Hans Joachim Marwitz zu tun, beispielsweise als er einen firmeneigenen bunten Heißluftballon steigen ließ, dessen Hülle mit fünfzehn Meter großen Brillen bedruckt war. Solche Werbeaktionen sorgten für Aufsehen und brachten der Marke weit über Berlin hinaus Bekanntheit.

Bei aller Reiselust gehört das Herz von Marwitz Senior seiner Heimatstadt Berlin, dem Firmenstandort im Grunewald und seinem persönlichen Rückzugsort: „Ich habe mein Shangri-La in einer Dachgeschosswohnung in Berlin-Mitte gefunden, mit 360° Grad Rundblick, oben ruhig, unten tobt das Leben. Nachts sehe ich durch das Fenster Mond und Sterne leuchten.“ Der vom britischen Schriftsteller James Hilton in seinem Roman „Lost Horizon“ beschriebene, sagenhafte Ort Shangri- La in Tibet, in dem Menschen in Frieden und Harmonie leben, steht gleichsam für das Paradies als idealen Rückzugsort aus dem Weltgeschehen. Aber an Rückzug denkt Hans-Joachim Marwitz beileibe nicht. Eher an den nächsten Aufbruch in lockende Fernen.

Brillenfotos: Conquistador; Illustrationen: Katja Wiedemann