Erstveröffentlicht in der Herbst/Winter-Ausgabe 2023/24
Faszination. Experiment. Emotion. Designer arbeiten mit Farbkonzepten, Moodboards, Farb- und Trendvorhersagen, Musterentwicklungen, Materialcollagen und empirischen Zukunftsszenarien. In der Sublime Eyewear sprechen sie über die Ästhetik der Farbe, ihre persönlichen Farbfavoriten. Und über ein Brillendesign, das Farbe nicht scheut.
„Farben rufen Stimmungen hervor, im besten Fall positive.“ Die italienische Brillendesignerin und gelernte Augenoptikerin Laura Rattaro vertraut auf die Kraft der Farben. Auf ihrem Arbeitstisch im norditalienischen Marostica liegen Plättchen von Acetatmustern neben Büchern über die Geschichte und Symbolik der Farben, über Kunst und Künstler. Ein Einband zeigt ein poetisches Motiv des russischen Malers Marc Chagall: „Die Liebenden in Blau“. Dieses Blau sei Chagalls künstlerischer Intuition entsprungen, sagt Rattaro. „Ganz anders entsteht das Farbdesign für eine Brille, da darf man nicht zu sehr auf das Gefühl hören. Ein gutes Farbempfinden hilft, aber es braucht die Kenntnisse über die Wirkung von Farben.“
Ihre Arbeit sei vielschichtig, umfasse das Studium der Anwendung von Farbe auf Produkte, Überlegungen zu den Zielgruppen, die Beobachtung kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Phänomene, erklärt Rattaro. Sie versteht sich als Interpretin der Bedürfnisse des Unternehmens, für das sie Brillen entwirft. „Jede Fassung hat ihren eigenen Charakter, das Kolorit muss zu diesen Merkmalen passen. Für jedes Produkt wird eine bestimmte Farbpalette festgelegt. Jeder Farbton, seine Sättigung, die Helligkeit ist wie ein Wort. Sie zusammenzusetzen bedeutet, Sätze zu bilden, welche die Sprache der Farben formen.“ Interessant sei das Zusammenspiel zwischen Farbe und Beschaffenheit verschiedener Materialien, „denn Licht, das auf eine Oberfläche trifft, bestimmt Brillanz, Sättigung, Transparenzen oder Volltöne, die zur Ästhetik eines Brillendesigns beitragen.“
„Farbe ist nicht einfach etwas, das man der Form hinzufügt. Als Farbdesignerin ist es meine Aufgabe, ein Produkt und seine Farben stimmig zu gestalten.“
Farbe und Form müssen gemeinsam durchdacht werden, betont Rattaro. „Farbe assoziiert auch eine Funktion, beispielsweise um die Struktur eines Objekts verständlich zu machen. Für eine Brillenkollektion müssen wir dem Markt eine Reihe von Farben anbieten, ein kohärentes Farbkonzept ist dabei von großer Bedeutung.“ Sie würde aber keinen Farbton grundsätzlich ausschließen, sagt Rattaro. „Dies gilt jedoch nicht für Farben mit starkem Symbolcharakter, beispielsweise Autos mit dem Nimbus des Statussymbols. Einen Ferrari gibt es nur in kräftigen Farben, zum Beispiel dem ikonischen Ferrari-Rot. Einen Ferrari in Pastelltönen wird man nicht finden.“
Nach der Covid-Pandemie und unter dem Eindruck weltweiter Krisen wachse das Bedürfnis der Menschen nach Frohsinn und Fröhlichkeit, beobachtet Rattaro: „Deshalb wählen sie lieber optimistische Töne wie ein leuchtendes Gelb und Orange, ein kräftiges Blau, auch Grüntöne sind gefragt.“ Die Brillendesignerin selbst trägt am liebsten Schwarz oder Weiß, bleibt in ihrer persönlichen Farbwahl neutral. „Ich liebe Farben so sehr, dass mir mein Gefühl sagt: Wenn ich eine bevorzuge, täte ich allen anderen ein großes Unrecht.“
Fotos: Laura Rattaro
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