Erstveröffentlicht in der Herbst/Winter-Ausgabe 2024/25
Rund. Panto. Oval. Karree. Butterfly und Pilotenform. Die Klassiker des Fassungsdesigns gibt es in vielen innovativen Variationen. Designen aber heißt, Produkte zu verbessern, sie weiterzuentwickeln oder neu zu gestalten. Auch in der Eyewear. Für die Sublime Eyewear entwarfen Designerinnen und Designer ihre Ideen der Brille der Zukunft. In einer Vision, die neue nutzerorientierte Funktionen und zukunftsweisende Ästhetik zusammenbringt – mit intelligenten, nachhaltigen Materialien und Formen, von denen wir (noch) nichts ahnen.
RENATO MONTAGNER
- Creative Director, Tag Heuer Eyewear
„Die Inspiration für meine Zukunftsvision sind die Blind Girl Paintings von Julian Schnabel, die junge Mädchen mit einem Balken über den Augen zeigen. Bei Schnabel löschte ein Pinselstrich die Augen des Mädchens aus. So wird der ‚Brillenrahmen‘ vor der Pupille platziert, mit der er interagiert, um Impulse zu empfangen und zu senden. Mikrokameras nehmen die Bilder auf, ein Algorithmus verarbeitet, vergrößert und filtert sie und überträgt sie in Echtzeit an das Auge. Gleichzeitig steuern Sensoren Vitalwerte und Empfindungen, die sie von der Netzhaut durch Variationen ihrer Farbe ablesen. Farben und Texturen können Augen schminken und Augenringe ausgleichen. Tatsächlich würde ich nicht mehr unbedingt von ,der Brille‘ sprechen. Es wird Technologien geben, die mit unseren Augen interagieren, die es möglich machen, unseren Gesundheitszustand und unsere Stimmung durch unsere Augen zu lesen. Es wird gefiltert, was unsere Augen sehen, nicht nur die Sonnenstrahlen, auch Dinge, die uns umgeben. Wir sind oft mit Bildern überlastet. Neue Technologien werden es uns ermöglichen, durch die Wechselbeziehung und Kommunikation mit unseren Augen die Welt anders zu sehen.
Ich halte es mit dem deutschen Industriedesigner der Moderne, Dieter Rams, der eine große Inspiration für mich ist. Rams propagierte die Klarheit der Form, Materialgerechtigkeit und einfache Bedienbarkeit der Produkte. Ich würde seine Philosophie vom Design auf die Produktion erweitern. Weniger Produkt, aber dafür ein besseres Produkt. Auf Langlebigkeit ausgelegt und mit der nötigen Zeit entwickelt, damit es sinnvoll und nicht nur ein Ersatz für ein Vorgängermodell ist. Dennoch wird es immer auch Platz für Produkte geben, die die Klassiker in einer jeweils dem Zeitgeist entsprechenden Vision neu interpretieren, so wie es in vielen kreativen Bereichen immer wieder vorkommt, von der Mode über die Musik bis hin zum Kino. Produkte zu erfinden ist nicht immer wertvoller als sie zu entdecken und zu verstehen. Treiber neuer Produkte jedoch werden die Weiterentwicklung der Materialien sowie eine nachhaltigere und umweltfreundlichere Produktion sein. Kommende Generationen müssen darauf abzielen, den Lebenszyklus der Produkte zu verlängern, bei unveränderter Leistung. Zu oft sind Produkte wegwerfbar. Was die Integration von Funktionen in Brillen betrifft, gilt: Je weniger Technologien wir hinzufügen, desto besser ist das Produkt, das wir konzipieren. Das Ergebnis am Ende muss sein: Weniger, aber besser sehen.“
Fotos: Renato Montagner, Tag Heuer
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